Die gesellschaftliche Dynamik hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz hat inzwischen auch den Museumssektor voll erfasst. Zahlreiche vorbildliche Projekte und gute nachhaltige Praxis in Museen zeugen davon.
Doch wie können einzelne Ansätze und Projekte innerhalb des Museums so aufeinander abgestimmt werden, dass sie sich gegenseitig verstärken und zu einem grundlegenden Wandel der Museumsarbeit führen?[i]
Nachhaltigkeit in Museen als Change Management
Eine strategische Umsetzung von Nachhaltigkeit in Museen ist ein Veränderungsprozess, für den das Instrument des “Nachhaltigkeitsmanagement in Museen” (NMM) entwickelt wurde. NMM ist ein Managementrahmen, der auf den spezifischen Kontext und die Bedürfnisse von Museen und anderen kulturellen Einrichtungen zugeschnitten ist. NMM strukturiert Maßnahmen für Nachhaltigkeit im Museumsbetrieb, indem es die spezifischen Stärken jedes Museums fokussiert, anstatt sich allein an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN (SDGs) zu orientieren.
NMM durchläuft in einem dynamischen, langfristigen Prozess sieben Phasen und lehnt sich an andere Management- bzw. Planungsprozesse an. Grundlegend ist, dass emergenter Wandel (emergent change) Unterstützung findet und Bottom-Up Beteiligung angestoßen wird.
Konkret beginnt der Prozess mit der Selbstverpflichtung der Direktion, die Institution im Einklang mit dem Leitbild der Nachhaltigkeit zu führen. Daraufhin werden Handlungsfelder ausgewählt (z. B. CO2-Bilanz, Organisationskultur), strategische Ziele entwickelt und messbare Indikatoren zur Erreichung dieser Ziele definiert (z. B. Energieverbrauch, Arbeitszufriedenheit). Der Status Quo wird anhand dieser Indikatoren als Grundlage festgehalten.
Das Herzstück aller Bemühungen ist ein Nachhaltigkeitsprogramm für die gesamte Einrichtung. Es umfasst alle Maßnahmen, die zur Erreichung der definierten Ziele beitragen. Dies könnten beispielsweise die Reduzierung von Geschäftsreisen, die Einrichtung geschlechtsneutraler öffentlicher Toiletten oder eine lokale politische Kampagne zum Verbot von Einwegplastik sein. Nun beginnt die Umsetzung der im Nachhaltigkeitsprogramm beschriebenen Maßnahmen. Das Erreichen der Ziele wird überprüft.
Schließlich werden der Prozess und die Ergebnisse des NMM nach außen kommuniziert. Entweder geschieht dies in Form eines separaten Nachhaltigkeitsberichts oder in einer prozessbegleitenden Kommunikation. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung erhöht die Akzeptanz der Maßnahmen und sichert ihren langfristigen Erfolg.
3 Thesen zur Umsetzung
Angesichts eines derart umfassenden Change Managements ist es natürlich, dass die Umsetzung von Nachhaltigkeit in Museen auch von Unsicherheiten und offenen Fragen geprägt ist.
Kontinuierlicher Beteiligungsprozess statt Umsetzung als Projekt
Erfahrungen aus dem Veränderungsmanagement zeigen, dass langfristige Veränderungen erst erreicht werden, wenn die neuen Grundlagen und Werthaltungen sowie daraus abgeleitete Verhaltensweisen in der Kultur der Institution tief verankert sind. Bis dahin bleiben bereits erreichte Erfolge häufig fragil.
NMM ist daher als fortwährender, breitangelegter partizipativer Prozess zu verstehen und kann nicht als kurzfristiges Projekt geplant und umgesetzt werden.
Umfassende Enkeltauglichkeit statt technologischer Lösungen
Museumsgebäude sind insbesondere in Bezug auf Energieverbrauch und Klimaschutz von besonderer Relevanz. Daher liegt es nahe, technische Verbesserungen an Gebäuden umzusetzen, gerade auch weil sie nachvollziehbare und messbare Effekte, beispielsweise auf die Klimabilanz, haben.
Eine solche reduktionistische Sicht auf technologische Einzellösungen wird aber dem Leitbild der Nachhaltigkeit nicht gerecht. Sie verstellt den Blick darauf, dass sich die Arbeits- und Funktionsweisen von Museen grundlegend ändern wird.
Nachhaltigkeit in Museen bedarf im Sinne einer umfassenden Enkeltauglichkeit Änderungen auf strategischer Ebene und nicht nur technische Optimierungen, die ein „business as usual“ legitimieren.
Museumsspezifisches Verständnis von Nachhaltigkeit statt Einsatz vorhandener Kriteriensysteme
Für eine Messung und Qualitätssicherung von Nachhaltigkeit in Museen liegt der Einsatz vorhandener Kriteriensysteme wie das Umweltmanagementsystem „EMAS“, die Gemeinwohlbilanzierung, der „Deutscher Nachhaltigkeitskodex“, der „Social Reporting Standard“ (SRS) oder diverse ISO-Normen nahe. Diese „Indikator-Sammlungen“ stammen aber aus spezifischen Entstehungszusammenhängen und wurden für bestimmte Anwender entwickelt. Sie fokussieren auf ausgewählte Schwerpunkte von Nachhaltigkeit und lassen bewusst andere Aspekte aus.
Bei der Analyse dieser Kriteriensystem ist augenfällig: Sie sind nicht für die Arbeit von Museen konzipiert und bilden daher weder die spezifischen Herausforderungen noch Nachhaltigkeitsleistungen des Museumsbetriebs ab.
Daher ist eine zentrale Aufgabe des NMM, die passenden Indikatoren für das jeweilige Museum selbst zu finden – und so ein museumsspezifisches Verständnis von Nachhaltigkeit aus der Praxis heraus zu entwickeln.
[i] Dieser Artikel ist erschienen im Bulletin des Deutschen Museumsbundes 4/21: https://www.museumsbund.de/publikationen/bulletin-421/
[ii] Siehe dazu und den weiteren Ausführungen auch: Garthe, Christopher (2020): Sustainability Management in Museums: A new Approach. Available online at https://icom.museum/en/news/icom-voices-sustainability-management-museums
Ein wunderbar ganzheitlicher und selbstbewußter Ansatz, danke dafür! Zwei Fragen habe ich dazu:
1. Gibt es Beispiele für Gemeinwohlbilanzierung von Kultureinrichtungen oder sogar Museen?
2. Wie kann die Nachhaltigkeit vergangener, im Museum präsentierter Kulturen / Wirtschaftsweisen stärker als Beispiel für die heute notwendige Veränderung unserer Kulturen / Wirtschaftsweisen genutzt werden?