Vor einiger Zeit hatte ich Möglichkeit einen Beitrag zum Kultur Management Network Magazin beizutragen. Die Kernthese ist – beispielweise im Hinblick auf die Arbeitsgruppe „Klimaschutz“ des Deutschen Museumsbundes aktueller denn je. Hier für alle geneigten Leser*innen nochmal der Originaltext:
Ist eine Klima-Task Force für Museen der richtige Ansatz, um die Nachhaltigkeit des Kultursektors voranzubringen? Oder ist die durch #EverybodyForFuture getriebene Fokussierung auf Klimaschutzaspekte eine Verengung, die von der notwendigen gesellschaftlichen Transformation ablenkt? Eine Spurensuche nach den richtigen Ansätzen für den Wandel der Museumsbranche.
Klimawandel durch Museen
Museen verursachen im Vergleich mit anderen Kulturinstitutionen relativ hohe CO2-Emissionen und tragen damit in nicht zu unterschätzendem Umfang zur Klimakrise bei. Will der gesamte Kultursektor nachhaltiger werden, haben Museen die größte Hebelwirkung. Bei Strategien und Fördervorhaben sollte ihnen daher eine besondere Bedeutung zukommen.
Doch weshalb sind Museen klimaschädlicher als andere Kulturinstitutionen? Einen Großteil der CO2-Emissionen in Museen verursacht der Energieverbrauch durch die aufwändige Heizung, Lüftung und Klimatechnik. Weitere Emissionen entstehen durch Abfall, Wasserverbrauch und Geschäftsreisen. Die komplexe Klimatechnik ist wegen der konservatorischen Anforderungen an die Aufbewahrung der Sammlungsobjekte notwendig. Will man Klimaschutz in Museen wirksam umsetzen, ist das Gebäudemanagement daher ein idealer Ansatzpunkt. Es gilt besonders, die umfangreichen Depots und Archive in den Fokus der Aufmerksamkeit zu nehmen.
Vor dem Beginn einer energetischen Modernisierung müssen die Basisdaten zu Energieverbrauch, CO2-Emissionen und Folgekosten vorliegen. Ende 2020 haben sich in Deutschland bereits Institutionen zusammengeschlossen, um als ersten Schritt eine Bestandsaufnahme durchzuführen und aus diesen Erfahrungen ein einheitliches Vorgehen für die Energie- und Klimabilanzierung im Museumssektor abzuleiten. In Großbritannien sind Museen diesbezüglich schon einen Schritt weiter: Hier werden seit einigen Jahren Museen dabei begleitet, ihren Energieverbrauch zu quantifizieren und Einsparmaßnahmen der Reduzierung umzusetzen. Dadurch werden die CO2-Emissionen der Institutionen um durchschnittlich 7% pro Jahr reduziert.
Grenzen der Bilanzierung
Zu Beginn eines Klimaschutzprogramms in Museen ist es wichtig, eindeutige Zielvorgaben zu definieren. Dies könnte beispielsweise die Reduktion der CO2-Emissionen der Institution um 10% im Vergleich zum Vorjahr sein. Eine Bezugnahme auf die Reduktionsziele, die auf nationaler Ebene vorgesehen sind bzw. gefordert werden, ist schwierig, da sich diese auf Emissionen in zurückliegenden Jahren beziehen, aber diese Datenbasis in Museen in der Regel nicht vorhanden ist.
Um die Aussagekraft einer CO2-Bilanzierung sicherzustellen, müssen sowohl die Elemente definiert werden, die die Bilanzierung einschließt, als auch diejenigen, die ausgelassen werden. Der internationale Standard des Greenhouse Gas Protocols (WRI 2004) empfiehlt eine Einteilung in Bereiche: Bereich 1 umfasst die Emissionen durch Treibstoff und Firmenfahrzeuge, Bereich 2 jene durch Strom, Wärme und Dampf und Bereich 3 fasst Emissionen z. B. durch Waren und Dienstleistungen, Pendeln der Mitarbeiter, Abfallentsorgung zusammen. Die meisten Länder, Unternehmen und Branchen konzentrieren sich auf die Bereiche 1 und 2 und ignorieren den dritten Bereich. Dies ist nachvollziehbar, da Emissionen in den ersten beiden Bereichen leichter zu steuern sind. Museen haben hier in der Regel eine direkte Kontrolle. Die größten Emissionen werden jedoch oft im dritten Bereich verursacht. Auch wenn nur die Emissionen berücksichtigt werden, die direkt mit der Museumsaktivität verbunden sind, fällt hier der gesamte Kohlenstoff, der durch Dienstleister und Besucher*innen verursacht wird, an.
Um CO2-Emmissionen in Museen zu reduzieren, können neben allgemeinen Ansätzen der Energiewende – wie die Steigerung der Energieeffizienz, der Bezug von Ökostrom oder der Einsatz von Wärmepumpen – erfolgreiche Vorgehensweisen aus anderen Branchen angewandt werden. Es existieren detaillierte Empfehlungen zu Energie-Einsparungen mit Blick auf Büroarbeitsplätze, Labore oder die Nutzung digitaler Dienste. Museumspezifische Einsparpotenziale beziehen sich insbesondere auf die Themen Sammlung und Ausstellung. Unabhängig von den Anforderungen der jeweiligen Sammlung und den Voraussetzungen eines Gebäudes kann beispielsweise Tageslicht für eine differenzierte Tageslichtbeleuchtung eingesetzt werden. Zertifizierte und energieeffiziente Medientechnik vermindert in den Ausstellungen den Energieverbrauch. Als große Einzelverbraucher sind für Museen auch Ansätze zur Unterstützung von Heizung und Kühlung durch Geothermie sinnvoll (Müller 2010).
Präventive Konservierung weiterdenken
Bei der Umsetzung von Klimaschutz als gebäudetechnische Aufgabe tritt schnell die Konfliktlinie zwischen Energieeinsparung in der Klimatechnik und den konservatorischen Anforderungen hervor. Vollklimatisierte Museen sowie maximal enge Klimakorridore zur Konservierung der Sammlungsobjekte resultieren in Gebäuden mit enorm hohen CO2-Emissionen. Durch eine dynamisch präventive Konservierung könnten diese Emissionen bereits verringert werden. Vor dem Hintergrund der Klimakrise sollte darüber hinaus die Risikobeurteilung für Sammlungsobjekte insgesamt neu konzipiert werden und Faktoren wie die gesellschaftliche Wirkung der Sammlungstätigkeit und einzelner Objekte mitberücksichtigen (vgl. Ankersmit; Stappers 2017).
Möglicherweise lässt sich diese Debatte für eine Transformation erst nutzbar machen, wenn neue Ansätze der Konservierung wie „shared curatorial authority“ oder „in situ preservation“ (Kreps 2008) Anwendung finden. Der Konflikt könnte sogar zu einer kritischen Reflexion der Sammlungstätigkeit selbst führen: Im Rahmen des Postwachstums-Diskurses gewinnt das Entsammeln auch in Museen in Deutschland an Bedeutung – auch hierdurch ließen sich Reduktionen der Emissionen realisieren.
Vom Klimaschutz zum ökologischen Fußabdruck
Die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bestehen nicht nur in der Bewältigung des Klimawandels; vielmehr gilt es die multiplen Krisen wie Pandemien, Migration, Biodiversitätsverlust und soziale Ungleichheit zu adressieren. Eine ökologische Modernisierung des Museumssektors, die auf die Reduktion von CO2-Emissionen und Klimaschutz fokussiert, wird dem notwendigen Wandel nicht gerecht. So sind Klimabilanzierungen und Energieeffizienzsteigerungen wichtige Instrumente. Eine weitergehende Analyse der Umweltauswirkungen von Museen stellt jedoch einen wirkungsvolleren Ansatz für mehr ökologische Nachhaltigkeit dar.
Ein Instrument dafür ist die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks von Museen. Der ökologische Fußabdruck ist ein Indikator für den menschlich erzeugten Druck auf Ökosysteme generell, also nicht nur das Klimasystem. Er stellt ein Maß für die Ressourcennutzung und deren Umweltauswirkungen dar. Zur Berechnung des ökologischen Fußabdrucks von Museen wird der Ressourcenverbrauch in fünf Verbrauchskategorien aufgeschlüsselt. Die offenen Fragen der Grenzen der Bilanzierung gelten hier allerdings genauso wie bei der CO2-Bilanzierung. Obwohl der Ansatz einige methodische Schwächen aufweist, kann er für Museen hilfreich sein, da er weit verbreitet ist und zahlreiche abgeleitete Instrumente und Anwendungsbeispiele existieren. Die Einstiegshürde ist daher geringer als bei anderen Instrumenten der Umweltbilanzierung.
Auch in anderen Arbeitsbereichen des Museums greift eine Fokussierung auf die CO2-Emissionen zu kurz. Lebenszyklusanalysen sind ein weiteres Instrument, um einen realistischen Eindruck zu gewinnen, wie sich eingesetzte Materialien und Produkte, beispielsweise in der Restauration oder beim Ausstellungsbau, auf die Umwelt auswirken und dadurch negative Auswirkungen zu reduzieren. Hier besteht noch ein hoher Bedarf, die Ergebnisse von Lebenszyklusanalysen zu bündeln und den Zugang zu diesen Informationen zu erleichtern.
Eine Klima-Task Force für Museen wird die Branche vermutlich nicht ausreichend weiterbringen und auch den systemischen Wandel nicht beschleunigen. In diesem Sinn werden technologischen Effizienzmaßnahmen, die lediglich auf eine Entkopplung erster Ordnung zielen (siehe dazu Schneidewind 2018), weder die Klimakrise und schon gar nicht die weiteren Herausforderungen lösen. Dennoch sind der ökologische Umbau von Museen und die klimatechnische Modernisierung von Archiven wichtige Bausteine für die Zukunft von Museen. Für all jene Museen, die Verantwortung für einen Wandel hin zu einer nachhaltigen Zukunft übernehmen möchten, reichen sie aber nicht aus.
Vom ökologischen Fußabdruck zum strategischen Nachhaltigkeitsmanagement
Um eine solche Verantwortung zu übernehmen und dabei die Große Transformation (WBGU 2011) zu unterstützen, ist ein ganzheitlicher Blick auf die Institution Museum nötig, der ökologische Aspekte mit sozialen, ökonomischen und programmatischen Perspektiven verschränkt. Dies leistet ein strategisches Nachhaltigkeitsmanagement.
Basierend auf Ansätzen des Corporate Social Responsibility (CSR) und des Corporate Sustainability Management (CSM) ist “Nachhaltigkeitsmanagement in Museen” ein angepasstes Management-Instrumentarium, das auf die spezifischen Kontexte und Bedürfnisse von Museen und anderen kulturellen Einrichtungen zugeschnitten ist.
Nachhaltigkeitsmanagement in Museen strukturiert Maßnahmen, indem es die spezifischen Stärken jeder Einrichtung hervorhebt. Es bietet damit einen anwendungsorientierten Ansatz, der die tägliche Arbeit in Museen unterstützt. Das Instrument zielt auf die Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung in allen Bereichen ab und nutzt dazu einen Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz, der auf einer Verpflichtung der Leitungsebene sowie einem breiten partizipativen Prozess basiert.
Museen als zentrale Akteure einer kohlenstoffneutralen Gesellschaft
Durch die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten auf strategischer Ebene werden Museen zu Gestaltern einer lebenswerten Zukunft und übernehmen gesellschaftlich Verantwortung. Sie können einen erheblichen Beitrag zur großen Transformation leisten, wenn sie diesen ganzheitlichen Blick auch in Hinblick auf ihre Wirkung schärfen und ihre Rolle als Multiplikatoren für den Klimaschutz einsetzen. Damit entwickeln sie sich zu nach außen wirkenden Schlüsselakteuren mit einer klaren gesellschaftlichen Rolle. Auf dem Weg dorthin kann Klimaschutz beides sein – Feigenblatt und Herzstück. Es besteht die Gefahr, dass der Blick auf andere Herausforderungen verstellt bleibt, dass wirklich wirksame Maßnahme ignoriert und lediglich nicht ausreichende technologische Lösungen vorangetrieben werden. Gleichzeitig ist der Klimaschutz ein zentraler Baustein auf dem Weg in die kohlenstoffneutrale Gesellschaft und damit auch ein wichtiger Baustein für die nachhaltige Zukunft des Kultursektors.
Literatur
WRI – World Resources Institute (2004): The Greenhouse Gas Protocol. A corporate accounting and reporting standard. Rev. ed. Washington, DC and Geneva. http://www.ghgprotocol.org/files/ghg-protocol-revised.pdf
Müller, H. (2010): Energieeffiziente Museumsbauten. http://www.greenbuilding-rd.de/download/Energieeffiziente_Museumsbauten_1210.pdf
Ankersmit, Bart; Stappers, Marc (2017): Managing Indoor Climate Risks in Museums. Springer.
Kreps, Christina (2008): Indigenous curation, museums, and intangible cultural heritage. In: Laurajane Smith und Natsuko Akagawa (Hg.): Intangible heritage. London, New York: Routledge, S. 193–208.; Manders, Martijn (2008): In Situ Preservation: ‘the preferred option’. In: Museum 60 (4), S. 31–41.
Schneidewind, Uwe (2018): Die große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels. Frankfurt am Main: Fischer.
WBGU (2011): Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation: Hauptgutachten: Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
Der Artikel ist zuerst erschienen im Kultur Management Network Magazin.