Die Klima Arena in Sinsheim ist ein außerschulischer Lernort für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, der Besucher:innen mit interaktiven Ausstellungen und Bildungsformaten motiviert, sich für Klimaschutz stark zu machen. Ulrike Fritz-Welz ist dort als Nachhaltigkeitsbeauftragte tätig und verantwortet das Nachhaltigkeitsmanagement der gesamten Einrichtung. Im Interview gibt sie Einblicke in ihre Motivation, die strategische Arbeit mit EMAS sowie in Herausforderungen und Erfolge aus der Praxis.
Christopher Garthe: Wie ist Ihre Position innerhalb der Klima Arena organisatorisch verankert?
Ulrike Fritz-Welz: Ich bin Nachhaltigkeitsbeauftragte – und organisatorisch bin ich direkt beim Vorstand angesiedelt. Das ist nicht nur formal wichtig, sondern zeigt auch die Haltung der Organisation: Nachhaltigkeit ist Chefsache. Meine Aufgabe ist es, das Nachhaltigkeitsmanagement zu koordinieren, weiterzuentwickeln und auch nach innen immer wieder in die Teams zu tragen. Das bedeutet, dass ich nicht nur Konzepte schreibe, sondern auch ganz konkret in Prozesse eingebunden bin. Ich begleite Ausschreibungen, spreche mit Dienstleistern, bewerte Materialien, entwickle zusammen mit den Abteilungen Leitfäden oder Handlungsanweisungen.
Dabei ist mir wichtig, dass ich nicht nur am Ende eines Prozesses reinkomme, um alles ‚grün‘ zu machen, sondern von Anfang an mitdenke. Nachhaltigkeit muss in jeder Entscheidung mitgedacht werden – vom ersten Entwurf einer Ausstellung bis zur Auswahl der Reinigungsmittel. Gleichzeitig bin ich Schnittstelle zur EMAS-Zertifizierung. Das heißt, ich bin verantwortlich dafür, dass wir die Anforderungen erfüllen, dass unsere Daten stimmen, dass wir kontinuierlich besser werden. Und: Ich bin Ansprechpartnerin für alle im Haus, die Fragen haben oder etwas verändern wollen. Das macht die Rolle sehr vielseitig – und manchmal auch herausfordernd.
Externe Zertifizierung hilft beim internen Nachhaltigkeitsmanagement
CG: Neben einem differenzierten Nachhaltigkeitsleitbild nutzen Sie auch EU-Öko-Audit EMAS um die Klima Arena nachhaltig auszurichten. Warum haben Sie sich für EMAS entschieden und nicht für ein anderes System, wie bspw. die Umweltmanagementsystemnorm ISO 14001 oder eine Ausrichtung auf die Global Reporting Initiative?
UFW: Für uns war relativ schnell klar, dass wir mit EMAS arbeiten wollen. Es ist das anspruchsvollste System in Europa – nicht nur, weil es viele Kriterien abdeckt, sondern weil es auch eine externe Prüfung und eine Berichtspflicht beinhaltet. Das war für uns ein wichtiges Argument: Wir wollen transparent sein, und das geht nur, wenn man offenlegt, was man tut. Bei ISO 14001 zum Beispiel gibt es keine Pflicht zur Veröffentlichung. Man kann das intern machen und niemand erfährt, wie es wirklich läuft. Das wollten wir nicht. Wir wollten, dass alle sehen können: Das sind unsere Ziele, das haben wir erreicht, da stehen wir heute. Und EMAS verpflichtet uns genau dazu. Außerdem ist die externe Prüfung für uns ein Qualitätssiegel. Es ist einfach ein Unterschied, ob jemand von außen prüft oder ob man sich selbst bescheinigt, dass alles gut läuft. Auch wenn der Aufwand größer ist – es lohnt sich. Wir merken auch, dass EMAS uns strukturell weiterbringt. Es zwingt uns, systematisch zu arbeiten und nicht nur punktuell. Es hilft uns, dranzubleiben.
Hindernisse in der Umsetzung des Nachhaltigkeitsprogramms
CG: Sie veröffentlichen regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht, in dem Ziele, Maßnahmen und Auswirkungen dargestellt werden. Was sind typische Herausforderungen bei der Umsetzung Ihrer Nachhaltigkeitsmaßnahmen?
UFW: Eine der größten Herausforderungen ist ganz klar die Zusammenarbeit mit Dienstleistern. Viele können unsere Anforderungen nicht erfüllen oder haben schlicht noch nie davon gehört. Wenn man dann mit einem Nachhaltigkeitsfragebogen kommt oder mit konkreten Vorgaben, ist das erstmal ein Schock. Dann heißt es oft: Haben wir noch nie gemacht, geht nicht. Aber wenn man dranbleibt, erklären kann, warum das wichtig ist, und auch bei der Umsetzung unterstützt, dann geht es meistens doch. Wir haben dafür branchenspezifische Fragebögen entwickelt, mit denen wir Dienstleister bei der ersten Ansprache abholen. Wichtig ist auch: Wir schauen uns nicht nur den Dienstleister selbst an, sondern auch die Subunternehmer. Und das bedeutet viel Aufwand. Es gibt auch immer wieder Enttäuschungen – zum Beispiel wenn Materialien als nachhaltig beworben werden, sich aber dann als Greenwashing entpuppen. Deshalb arbeiten wir auch mit Lebenszyklusanalysen und haben einen internen Leitfaden zur Beschaffung entwickelt, der festlegt, welche Siegel akzeptiert sind und welche Materialien ausgeschlossen werden.
Wirksamkeit durch Zusammenarbeit mit lokalen Entscheidungsträgern stärken
CG: Wie bewerten Sie die Wirksamkeit Ihrer Maßnahmen und wie gelingt es, diese zu erhöhen?
UFW: Das Thema Wirkung ist bei uns in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Verbesserungen im Hinblick auf den Betrieb – etwa Energieeinsparungen oder Umstellung auf ökologische Reinigungsmittel – sind bei uns inzwischen eher marginal. Wir haben von Anfang an auf viele dieser Dinge geachtet, und es gibt einfach nicht mehr so viel zu optimieren. Daher hat sich unser Fokus ganz klar verschoben: Heute geht es darum, welche Wirkung wir tatsächlich entfalten. Also nicht nur: Wie nachhaltig ist unser Haus? Sondern: Was verändert sich bei unseren Besucherinnen und Besuchern? Was nehmen sie mit? Was setzen sie um? Deshalb haben wir eine erneute Wesentlichkeitsanalyse gemacht – mit dem Ziel, unsere Maßnahmen stärker auf tatsächliche Veränderungspotenziale auszurichten.
Wir investieren deshalb aktuell sehr gezielt in unsere Bildungsangebote. Naben der Arbeit mit Schulklassen haben wir mittlerweile Kooperationsverträge mit rund 50 Kommunen, richten uns gezielt an Gemeinderäte und entwickeln Formate, die auf deren Realität abgestimmt sind. Das funktioniert gut – hängt aber stark an einzelnen engagierten Personen in der jeweiligen Kommune.
CG: Inwiefern messen Sie die Nachhaltigkeitsbestrebungen und quantifizieren ihre Auswirkungen durch Evaluation?
UFW: Natürlich dokumentieren wir Daten zum Energieverbrauch, zur Abfallmenge, zur Mobilität. Evaluation ist ein fester Bestandteil unseres Nachhaltigkeitsmanagements – nicht nur, weil EMAS es fordert, sondern weil wir selbst den Anspruch haben, zu lernen und besser zu werden.
Was die Wirkung auf das Publikum betrifft, haben wir festgestellt, dass klassische Besucherforschung manchmal an ihre Grenzen kommt. Deshalb probieren wir bewusst auch neue Wege aus, und setzen AR-Brillen ein und untersuchen Bewegungsmuster in der Ausstellung. In einem anderen Projekt haben wir vier Wochen nach dem Besuch eine Nachbefragung durchgeführt. Dabei wollten wir wissen: Haben sich die Leute wirklich etwas vorgenommen – und haben sie es umgesetzt? Das ist natürlich nur eine Momentaufnahme, aber sie hilft uns, unsere Angebote besser zu steuern.
CG: Wie organisieren Sie die interne Kommunikation und Einbindung der Kolleg:innen beim Thema Nachhaltigkeit?
UFW: Kommunikation ist das A und O – gerade, wenn man möchte, dass Nachhaltigkeit nicht nur als eine Aufgabe verstanden wird, die ‚irgendwo nebenher‘ läuft, sondern als Querschnittsthema, das alle betrifft.
Es gibt einen monatlichen Team-Call, in dem Nachhaltigkeit immer ein fester Punkt ist. Im Leitungskreis, also mit allen Bereichsleitern, ist das Thema genauso dauerhaft verankert. Zusätzlich habe ich ein kleines, informelles Nachhaltigkeitsteam, mit dem ich regelmäßig spreche. Wir arbeiten sehr agil, vieles läuft mündlich und direkt. Einen eigenen Newsletter haben wir nicht – dafür setzen wir auf persönliche Kommunikation und Präsenz.
Was wichtig ist: Alle wissen, dass sie jederzeit zu mir kommen können – mit Fragen, Ideen oder auch Kritik. Ich sehe meine Aufgabe auch darin, zu motivieren, zu ermutigen, Dinge zu hinterfragen und gemeinsam Lösungen zu finden. Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen, sondern darum, in Bewegung zu bleiben.
Mutige und verrückte Ideen ausprobieren
CG: Welche Best Practices und Erfahrungen können Sie anderen Institutionen mitgeben, die auf dem Weg sind, nachhaltiger zu werden?
UFW: Die wichtigste Erkenntnis: Nichts passiert von allein. Nachhaltigkeit ist kein Selbstläufer. Man muss immer wieder erklären, nachfragen, kontrollieren, nachbohren – und oft auch Geduld haben. Es geht darum, Dinge auszuprobieren, auch mal mutige oder verrückte Ideen zuzulassen. Und: Alles hinterfragen – jedes Material, jeden Prozess, jede vermeintliche Selbstverständlichkeit. Gibt es eine bessere Alternative? Eine, die weniger Ressourcen braucht, fairer ist, länger hält? Und: Man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren. Die Ressourcen – personell, zeitlich, finanziell – sind begrenzt. Also lieber einige Dinge gut machen als viele halbherzig.
Außerdem braucht es Hartnäckigkeit. Das kann anstrengend sein – für einen selbst und manchmal auch für andere. Prozesse brauchen oft mehr Zeit, als man denkt. Deshalb ist es so wichtig, Nachhaltigkeit von Anfang an mitzudenken – nicht erst am Ende, wenn alles schon steht.
CG: Vielen Dank für das Gespräch.
Foto Copyright: Klima Arena