Die Idee der Nachhaltigkeit fußt – unter anderem – auf den Werten von Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Ein Nachdenken über Nachhaltigkeit in Museen, Besucherzentren und Science Centern führt damit direkt zu dem Handlungsfeld Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion.

Soziale Gerechtigkeit und das nachhaltige Museum

Nachhaltigkeit ist ein vereinbarungsbasiertes Konzept, dass Teilhabe und Partizipation an der Gestaltung der Zukunft in den Mittelpunkt stellt. Wie können Bestrebungen der Nachhaltigkeit diese Vision Wirklichkeit werden lassen? Inklusion und Diversität sind zentrale Ansätze um das Versprechen und den Anspruch jede*n zu erreichen zu erfüllen. Diversity – Inclusion – Equity (DIE) sind grundlegende Themen, um Gemeinschaft und Zugehörigkeit zu fördern und um die Wirksamkeit der Arbeit in Museen und Besucherzentren – insgesamt und im Hinblick auf Nachhaltigkeit – zu erhöhen. Diversität und Inklusion sind daher zentrale Bausteine, um soziale Nachhaltigkeit zu erreichen.

Diversity – Inclusion Equity als Dreiklang eines partizipativen und offenen Museums

Soziale Nachhaltigkeit und dessen Verständnis von Gerechtigkeit streben nach Fairness und berücksichtigen damit individuellen Bedürfnisse und Unterdrückungen. In der Museumsarbeit bietet dies eine Möglichkeit, unterschiedliche Bedürfnisse und Benachteiligungen von Besucher*innen mit dem Blick auf soziale Gerechtigkeit in den Blick zu nehmen.  In der Arbeit zu Diversität und Inklusion geht es demnach auch darum, bisher unterrepräsentierte Gruppen von Besucher*innen zu ermöglichen und dabei zu unterstützen, Museen, Ausstellungen und Science Center zu besuchen. (Sandell 2003, 47)

Wichtiger ist jedoch eine systemische Perspektive: Soziale und globale Gerechtigkeit ist eine gemeinsame Aufgabe: Im Kern geht es darum, Exklusion aufzudecken und die Gründe dafür zu analysieren. Exklusion oder Ausgrenzung umfasst nicht nur den fehlenden Zugang zu Ressourcen oder Möglichkeiten sondern auch systemische Diskriminierung oder Gatekeeping (Lynch 2001) .

Inklusion setzt dieser Ausgrenzung aktiv etwas entgegen: Sie versucht den ausgegrenzten Gruppen den Zugang zu Kulturinstitutionen zu ermöglichen, in dem sie Bedürfnisse, Anforderungen und Vorlieben berücksichtigt und damit Alle willkommen heißt. Inklusion zielt aber auch darauf ab, die Ursachen der Ungleichheit zu beseitigen. DIE (Diversity, Inclusion, Equity) spiegelt mit diesen Ansätzen des Respekts, der Unterstützung, der Teilhabe und der Wertschätzung die zentralen Werte einer starken sozialen Nachhaltigkeit wider. Hier wird bereits deutlich: Inklusion und die Diversität sind voraussetzungsvolle Aufgabenbereiche, denn bei unreflektierten Ansätzen können unter Umständen sogar Ungerechtigkeiten verfestigt sowie Benachteiligungen aufrechterhalten werden. (Ng et al. 2017, 143)

Bestrebungen für Diversität und Inklusion führen mittelfristig zu einer grundlegendenden Änderung der Museumspraxis: Mit sich stärker verändernden und diverseren Zielgruppen und der Bestrebung Museum und Gesellschaft zu transformieren rückt eine kooperative und kollaborative Museumsarbeit in den Mittelpunkt. (Taylor 2017, 160)

Ansätze für Inklusion, Diversität und soziale Nachhaltigkeit

Die konkrete Umsetzung im Arbeitsalltag in Besucherzentren, Science Centern und Museen ist häufig ein Lernprozess für alle Beteiligten. Denn es wird sehr schnell sehr persönlich. Akteure die sich offen und wahrhaftig einbringen, machen sich häufig verwundbar. Hier ist es wichtig nicht aus einer Position der Stärke heraus zu agieren, sondern sich ebenfalls zu öffnen. Ein zentrales Instrument ist es, einen sicheren Ort für die Kommunikation und die partizipative Arbeit an diesen Themen zu schaffen. Dieser „safe space“ ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche und für alle bereichernde Arbeit.

Ein Ansatz der den gesamten Prozess – sowie auch den eines Nachhaltigkeitsmanagements -bereichern kann, ist eine Resonanz-Gruppe. Eine Resonanzgruppe zeichnet sich durch eine hohe Diversität der Mitglieder*innen aus, die jeweils ihre eigene Expertise und Hintergrund zum Thema DIE in die Arbeit von Besucherzentren und Museen einbringen. Die Resonanzgruppe oder einzelne Mitglieder*innen können an Sitzung teilnehmen und Anmerkungen zu bestimmten Prozessen und Themen einbringen. Das Instrument der Resonanzgruppe ist insbesondere hilfreich, um vielfältige Perspektiven in den Arbeitsalltag zu integrieren und eine (noch) geringe Diversität der Mitarbeitenden dies erschwert.

DIE ist ein sehr menschliches, persönliches Thema – es beginnt damit beim Individuum. Der Schlüssel für mehr Vielfalt ist daher die Personalpolitik. Neben einer strategischen Ausrichtung der Personalpolitik auf mehr Diversität und Inklusion umfasst dieses Aufgabenfeld auch Ansätze wie Personalentwicklung und Mitarbeitertrainings sowie eine Veränderung von Stellenausschreibungen. IN der Konsequenz wird eine diverse Mitarbeiterschaft unterschiedliche Perspektiven einbringen und zu einer diversen Museumspraktik führen. 

Festzuhalten bleibt: Ein finalen, festgelegten Werkzeugkoffer existiert für das Themenfeld DIE noch weniger als für andere Aufgabenbereiche im Museum wie nachhaltige Ausstellungen, den Kulturgütertransport oder den Einsatz nachhaltiger Medientechnik. Hier gilt es methodisch auf die nehmende) Diversität der Beteiligten einzugehen und im Hinblick auf Ansätze und Instrumente flexibel zu bleiben. Letztlich spiegelt die Methodenvielfalt auch die Diversität der Mitarbeitenden und der Stakeholder.

Viele weitere konkrete Hinweise geben unter anderem der Diversify Toolit der Museums Association (Museums Association 2006), das Praxis-Handbuch für ein Museum ohne Barrieren (Stocker Steinke and Staub 2016) oder der Leitfaden zu Barrierefreiheit und Inklusion des Deutschen Museumsbundes (DMB 2013).

Diversität und Inklusion in das Nachhaltigkeitsmanagement von Museen und Science Centern integrieren

Diversität betrifft als transversale Aufgabe viele – wenn nicht alle – Aufgabenfelder von Kulturinstitutionen. Insbesondere spielen das Publikum, das Personal, Partner eine Rolle. Dazu treten programmatische Aspekte, die sich auf Themen von Inklusion, Gerechtigkeit und Diversität beziehen oder eine Relevanz dafür entwickeln.

Daraus wird ersichtlich, dass eine potenzielle Arbeitsgruppe zu diesen Themen von den unterschiedlichen Abteilungen getragen werden muss – vergleichbar wie die Arbeit für mehr Nachhaltigkeit in Museen und Ausstellungshäusern.

Wieso sollten diese beiden transversalen Aufgaben – Diversität und Nachhaltigkeit – nicht zusammengedacht, miteinander verwoben und gemeinsam bearbeitet werden?

Die Arbeit an diesen Themen ist ein langfristiger Prozess- hier sind in der Regel keine kurzfristigen substanziellen Änderungen zu erwarten, da er grundlegende die Museumspraxis verändert. Auch hier gilt: Umsetzung als einmaliges Projekt funktioniert nicht. Inklusion in der Arbeit in Museen und Science Centern umzusetzen und Diversität zu unterstützen ist ein ressourcenintensiver Prozess – insbesondere bindet dieser häufig viele Personalressourcen. Auch aufgrund dieser langen Zeithorizonte ist eine externe Förderung häufig schwierig. Umso zentraler ist es, eine Unterstützung durch die Leitungsebene und idealerweise auch einen Beirat sicherzustellen.

Idealerweise wird DIE als Teil einer größeren Nachhaltigkeitsstrategie mitgedacht und mit weiteren Aktivitäten harmonisiert. Hier können auch Synergieeffekte im Prozess realisiert werden. Der Aufwand ist regelmäßig geringer, als beide Themen unabhängig voneinander anzugehen und umzusetzen. Als Ausgangspunkt bietet es sich an, ein kurzes Statement zu Diversität und Inklusion in das Nachhaltigkeitsleitbild zu integrieren.

Unter dem größeren Thema der Nachhaltigkeit können so auch Fortschritte und Erfolge im Bereich DIE erzielt werden, wenn beispielsweise die Dringlichkeit der Nachhaltigkeitsthemen bei der Leitungsebene anschlussfähig ist, den Themen Diversität und Inklusion aber weniger Bedeutung beigemessen wird.

Nachhaltigkeitsberichterstattung: CO2-Bilanzierung um die Dimensionen Gerechtigkeit, Inklusion und Diversität erweitern

Die Themen um DIE in eine Berichterstattung zu integrieren, ist keine neue Forderung, sondern im Prinzip ein Grundverständnis von guter Besucherforschung.

Durch Diversität und Inklusion kann hier Fragen und Methoden der Besucherforschung und der Evaluation in Museen auf die Wirksamkeit für eine (soziale) Gerechtigkeit fokussiert werden. Dies stellt auch eine große Chance für eine steigende Bedeutung von Besucherforschung dar, denn hier können mit dieser stärker fokussierten Fragestellung auch neue Fördergelder für Evaluationen eingeworben werden.

Andererseits stellt gerade im Hinblick auf ein Impact Monitoring von DIE-Initiativen sowie im Hinblick auf das Reporting bzw. die (Nachhaltigkeits-)Berichterstattung die Kompetenz der Akteure der Besucherforschung eine großen Erfahrungsschatz dar, auf den DIE-Initiativen zurückgreifen können. Eine stärkere Verbindung von Inklusions- und Diversitätsaktivitäten mit dem Methodenwissen der Besucherforschung könnte das Thema soziale Nachhaltigkeit in Museen weiter voranbringen.

CO2-Bilanzierung, Besucherforschung und Nachhaltigkeitsberichterstattung können vor dem Themenfeld DIE stärker zusammengedacht werden und ineinandergreifen. Zahlreiche Museen haben sich – welch eine großartige Entwicklung – auf den Weg gemacht erste Klimabilanzierungen anzufertigen. Ebenso existieren zahlreiche Initiativen, um Diversität und Inklusion in Science Centern voranzubringen. Wenn diese CO2-Bilanzen mit Ergebnissen zu Inklusion, Gerechtigkeit und Diversität kombiniert werden, haben wir bereits einen guten Schritt in Richtung einer umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung gemacht.

 

Literatur

DMB – Deutscher Museumsbund (2013). Das inklusive Museum. Ein Leitfaden zu Barrierefreiheit und Inklusion. Berlin, Deutscher Museumsbund (DMB).

Lynch, Bernadette (2001). If the museum is the gateway, who is the gatekeeper. Engage Review 11 (1), 1–12.

Museums Association (2006). Diversify toolkit. London.

Ng, Wendy/Ware, Syrus Marcus/Greenberg, Alyssa (2017). Activating Diversity and Inclusion: A Blueprint for Museum Educators as Allies and Change Makers. Journal of Museum Education 42 (2), 142–154. https://doi.org/10.1080/10598650.2017.1306664.

Sandell, Richard (2003). Social Inclusion, the Museum and the Dynamics of Sectoral Change. Museum and Society 1 (1), 45–62. (accessed 11/1/2021).

Stocker Steinke, Sara/Staub, Joëlle (Eds.) (2016). inkl. Praxishandbuch für ein Museum ohne Barrieren. Baden, Hier und Jetzt Verlag für Kultur und Geschichte GmbH.

Taylor, Chris (2017). From Systemic Exclusion to Systemic Inclusion: A Critical Look at Museums. Journal of Museum Education 42 (2), 155–162. https://doi.org/10.1080/10598650.2017.1305864.